© TalentKolleg Ruhr der Westfälischen Hochschule

TalentKolleg Ruhr (TKR): Hallo Agata, hallo Shoeib, schön, dass ihr euch die Zeit für ein Interview nehmt. Bevor ihr erzählt, was ihr hier am TKR in Herne macht, stellt euch doch bitte einmal kurz vor.

Shoeib: Hallo, ich bin Shoeib und 20 Jahre alt. Ich bin 2014 aus Afghanistan nach Deutschland gekommen und bereite mich gerade auf meine Abiturprüfungen vor. Meine Familie ist mittlerweile auch in Deutschland, meine Geschwister gehen zur Schule und meine Eltern machen Sprachkurse.

Agata: Hi, ich bin Agata. Ich bin 21 Jahre alt und komme aus Polen. Ich bin 2015 wegen meiner Familie nach Deutschland gezogen und bin zusammen mit Shoeib in einer Stufe auf dem Berufskolleg. Daher lerne ich auch gerade für das Abitur. Ich habe einen kleinen Bruder, der 10 Jahre alt ist.

TKR: Wie seid ihr denn auf das TKR aufmerksam geworden?

Shoeib: Wir waren damals die Klassenbesten und unsere Schule nimmt am Talentscouting teil. Eine Lehrerin hat mir empfohlen, dort hinzugehen.

Agata: Bei mir war es genauso, eine andere Lehrerin hat mir gesagt, ich solle mal zu dem Talentscout gehen. Ich habe erst gar nicht verstanden, was das ist. Mein Talentscout hat mir dann erst einmal das deutsche Schulsystem erklärt und mir meine Möglichkeiten aufgezeigt. Sie hat dann auch den Kontakt zum TKR hergestellt.

TKR: Welche Angebote habt ihr im TKR bisher wahrgenommen?

Agata: Ich habe die Qualifizierung Deutsch besucht, da ich Deutsch ja neu lernen musste und konnte in den wöchentlichen Kursen sicherer in der Sprache werden. Damit meine Englischkenntnisse nicht unter dem Deutschlernen leiden, habe ich auch noch die Qualifizierung in Englisch besucht. Außerdem war ich in der Auslandsberatung.

Shoeib: Ich habe sehr vieles wahrgenommen, zunächst, wie Agata, die Qualifizierung Deutsch und Englisch. Außerdem habe ich an verschiedenen Workshops teilgenommen: zur Prüfungsangst, zum wissenschaftlichen Arbeiten und zu Möglichkeiten, ins Ausland zu gehen. Dann war ich auch noch bei Martin in der Auslandsberatung.

TKR: Wie hat es euch im TKR gefallen? Was nehmt ihr aus eurer Zeit am TKR mit?

Shoeib: Ich finde, das TKR bietet ein besonderes Programm und ich hatte hier sehr viele schöne Erlebnisse. In den Kursen können wir behandeln, was uns interessiert und was wir in der Realität brauchen. Man kann hier immer locker sprechen und wir haben Stoff behandelt, den wir nicht in der Schule behandelt haben. Ich konnte hier meine Persönlichkeit entfalten und meinen Platz in der Gesellschaft finden.

Ich hätte mich früher nie als Talent bezeichnet. So genannt zu werden, hat mir Selbstbewusstsein gegeben und Motivation, das zu erreichen, was ich erreichen will. Ich habe gelernt, dass jeder Mensch besonders ist.

Agata: Ich nehme hier die Motivation mit, dass ich erreichen kann, was ich mir vorstelle und dass dies allerdings auch mal Zeit benötigt. Daher habe ich hier auch Geduld gelernt. Außerdem gefällt mir, dass hier niemand gezwungen wird, irgendwo reinzupassen.

TKR: Ihr macht jetzt gerade euer Abitur. Was habt ihr danach vor?

Agata: Erstmal machen wir beide die Qualifizierungskurse hier in Herne weiter!

Shoeib: Genau. Ich beginne zudem im September einen Freiwilligendienst in Norwegen in einem Heim für Menschen mit geistiger Behinderung. Die Menschen leben dort ganz normal miteinander und es gibt auch regelmäßig Seminare. Zudem lerne ich Norwegisch dort. Ich habe mit einer Mitarbeiterin telefoniert und es klingt nach einer ganz anderen Welt. Ich freue mich sehr auf die Zeit.
Nach dem Jahr in Norwegen möchte ich Medizin studieren und Neurochirurg werden mit einem zusätzlichen Fokus auf Psychologie. Sollte es nicht direkt mit einem Studienplatz klappen, möchte ich eine Ausbildung zum Rettungssanitäter machen.

Agata: Ich beginne dieses Jahr eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. Danach möchte ich auch Medizin studieren und mich wahrscheinlich auf Onkologie spezialisieren. Ich möchte den Leuten Hoffnung geben, daher möchte ich auch mein drittes Ausbildungsjahr im Kinderhospiz verbringen. Ich finde die Kinder verdienen, dass ihnen jemand ein bisschen Licht in der schwierigen Zeit gibt.

TKR: Ihr beide seid gut befreundet und habt oft zusammen an den Angeboten im TKR teilgenommen. Außerdem möchtet ihr beide Medizin studieren. Ist das Zufall oder habt ihr euch gegenseitig bestärkt?

Agata: Wir konnten in der Schule zwischen den Schwerpunkten Ernährung, Gesundheit oder Soziales wählen. Wir haben beide Gesundheit genommen. Shoeib wollte schon immer Medizin studieren, ich wusste noch nicht, ob ich nicht lieber Biologie studieren möchte, um dann in einem Labor zu arbeiten.

Shoeib: Wir haben dann viel diskutiert und waren auch zusammen bei Infoveranstaltungen zum Medizinstudium. Ich denke, da haben wir uns auch gegenseitig bestärkt. Wir werden auf jeden Fall auch nach dem Abitur weiterhin in Kontakt bleiben. Und wer weiß, vielleicht studieren wir in ein paar Jahren gemeinsam an einer Uni Medizin.

Update 2021:
Agata hat nicht nur ihren Beruf, sondern auch ihre Berufung gefunden! Sie hat bereits das zweite Ausbildungsjahr in der Krankenpflege abgeschlossen und plant nach der Ausbildung noch eine Fachweiterbildung in der Onkologie/Palliativmedizin, weil sie genau in diesem Bereich arbeiten möchte. Shoeib hat es nach Gießen verschlagen, wo er gerade sein zweites Semester im Studiengang Medizinisches Management abschließt. Am meisten gefällt ihm an dem Studium, dass es so viele lebenspraktische und alltagsnahe Anknüpfungspunkte gibt. Die beiden zeigen, welch vielfältige spannende Möglichkeiten in der Medizin es auch jenseits eines klassischen Medizinstudiums geben kann.